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Klage eines Mieters gegen seinen Vermieter, einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten aus Mannheim, wegen außerordentlicher Kündigung des Mietverhältnisses begründet

Datum: 25.08.2021

Kurzbeschreibung: 

Mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 25.08.2021 wurde der Klage eines Mieters gegen seinen Vermieter, einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten aus Mannheim– unter anderem auf Feststellung, dass das zwischen ihnen bestehende Mietverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung, hilfsweise fristgerechte Kündigung, beendet wurde- stattgegeben. 

 

Am 27.01.2020 zog der Kläger auf Veranlassung des Beklagten für die Dauer von Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten in eine Ersatzwohnung. Am 29.01.2020 kündigte der Vermieter fristlos das Mietverhältnis über die alte Wohnung in Mannheim und tauschte die Schlösser aus. Als Grund für die fristlose Kündigung gab er an, der Kläger habe sich am 05.12.2019 in einer herabwürdigenden Art und Weise bei anderen über ihn geäußert, unter anderem gegenüber dem Vater des Beklagten. Der Kläger soll über den Beklagten gesagt haben, dass er sich „nicht vorstellen könne, wie jemand ein solches Haus kaufen könne, der moralisch und geistig nicht in der Lage sei, ein Haus zu verwalten“. Auch sei es eine „Zumutung, dass so jemand auch noch als Abgeordneter tätig“ sei. Zudem habe er gesagt, dass es dem Beklagten an den notwendigen Umgangsformen fehle, dass dieser ihm bei einem Gespräch nicht in die Augen blicken könne, und dass er ein Persönlichkeitsproblem habe. Er soll gesagt haben, der Beklagte sei „als Vermieter moralisch, fachlich und charakterlich völlig ungeeignet“. Er sei ein „unfähiger Jungspund, der keine Manieren beigebracht bekommen“ habe. Der beklagte Vermieter vermietete die Wohnung nach Beendigung der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an neue Mieter. Der Kläger konnte seither nicht mehr in seine alte Wohnung, in der er zuvor über 30 Jahre lebte, zurückkehren. 

 

Der Kläger hat zunächst Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung des Beklagten nicht beendet wurde, erhoben; im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Mieter seine Klage erweitert auf Feststellung, dass der Vermieter verpflichtet ist, alle Schäden zu ersetzen, die aus der Kündigung und der Vorenthaltung des Zugangs zu seiner alten Wohnung entstanden sind und noch entstehen, zudem auf Unterlassung, weitere Mietverträge über die (alte) Wohnung abzuschließen, und auf Verpflichtung, den Kläger zu informieren, wenn die aktuellen Mieter/Bewohner aus der alten Wohnung des Klägers ihren Mietvertrag kündigen und ausziehen. 

 

Den Klageanträgen hat das erkennende Gericht überwiegend entsprochen. Soweit das erkennende Gericht die Klage im Übrigen abgewiesen hat, so bezieht sich dies darauf, dass der Kläger bei seinem Antrag, dass der Beklagte es zu unterlassen habe, weitere Mietverträge über die von ihm gemietete Wohnung abzuschließen, keine zeitliche Befristung angab. Die erkennende Richterin beschränkte den Anspruch auf „solange das Mietverhältnis zwischen den Parteien andauert“.  

Zur Überzeugung der erkennenden Richterin konnte der Beklagte seine Behauptung, dass der Kläger sich am 05.12.2019 gegenüber Dritten derart abfällig und ehrverletzend geäußert habe, dass ihm eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar sei, nicht beweisen. Die geladenen Zeugen konnten die vom Beklagten behaupteten ehrverletzenden Äußerungen nicht bestätigen. Drei der vier Zeugen konnten lediglich bestätigen, dass der Kläger an dem Tag aufgebracht war und forsch auftrat. Lediglich der Vater des Beklagten erklärte, der Kläger habe sich an dem Tag ihm gegenüber beleidigend geäußert, ohne jedoch konkrete Äußerungen überzeugend zu schildern. Das Gericht konnte durch die sehr vagen Angaben des Vaters des Beklagten, der deutlichen Erinnerungslücken und seiner auffälligen Unsicherheiten nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger tatsächlich die ihm vorgeworfenen Äußerungen getätigt hat. Soweit tatsächlich das Wort „Jungspund“ gefallen ist, das Wort, an das der Vater des Beklagten noch am ehesten eine konkrete Erinnerung hatte, rechtfertigt dies keine Kündigung.  

Aufgrund der relativ geringen Intensität dieser Äußerung wäre jedenfalls eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Eine Abmahnung ist der Kündigung nicht vorausgegangen. Die Auffassung des Beklagten, eine Abmahnung hätte vorliegend ohnehin keinen Erfolg versprochen, teilt das Gericht nicht. Allein die Tatsache, dass bereits in der Vergangenheit Kündigungen wegen Pflichtverletzungen gegen den Kläger ausgesprochen worden sind, ist nicht ausreichend. Auch ob der Kläger, wie vom Beklagten behauptet, grundsätzlich ein „streitsüchtiger Mensch“ ist und in diverse Rechtsstreitigkeiten auch mit Mitmietern und Behörden involviert ist, ist insoweit für das Gericht unerheblich gewesen. 

Das Wort „Jungspund“ stellt auch keine so erhebliche Pflichtverletzung dar, dass dies ohne Abmahnung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde.

Der Anspruch des Klägers auf Schadenersatz besteht zur Überzeugung der erkennenden Richterin ebenso, da der Beklagte dem Kläger durch das Austauschen des Schlosses und die damit eigenmächtige Inbesitznahme der Wohnung verschuldensunabhängig zum Schadensersatz verpflichtet ist. Auch die Entstehung eines immateriellen Schadens (Schmerzensgeldanspruch) ist nicht ausgeschlossen. Der Kläger hat vorgetragen, in der streitgegenständlichen Wohnung, in der er seit über 30 Jahren lebt, tief verwurzelt zu sein. Durch das eigenmächtige Verhalten des Beklagten hat er seinen langjährigen Lebensmittelpunkt verloren. Der Beklagte hat in rechtswidriger Weise in den höchstpersönlichen und besonders geschützten Lebensbereich des Klägers – Art. 13 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung – eingegriffen. 

Weiterhin wurde der Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, über die streitgegenständliche Wohnung weitere neue Mietverhältnisse abzuschließen, solange das Mietverhältnis mit dem Kläger besteht. Der Beklagte muss den Klägern auch informieren, sollten einzelne oder mehrere aktuelle Mieter / Bewohner der streitgegenständlichen Wohnung ihm den unmittelbaren Besitz an der Wohnung oder einzelnen Zimmern zurückgeben. Gerade nach einer eigenmächtigen rechtswidrigen Besitzentziehung hat er ihn zu informieren, wann derzeitige Bewohner ihren unmittelbaren Besitz aufgeben, damit der Kläger seinen titulierten Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes so schnell wie möglich im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen kann. 

 

II. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Parteien können gegen die Entscheidung Berufung zum Landgericht Mannheim binnen einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils einlegen. 


Dr. Köhler

Pressesprecherin 

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